Artenschutz bei Gebäudeabrissen - wie man es nicht macht: als Beispiel die Stadt Münster

Manchmal wirkt es wie ein Kampf gegen Windmühlen - Artenschutz in modernen Zeiten. Industrielobbies, die die Planungen häufig scheinbar fest in der Hand haben. Häufig lassen sich Verstösse insbesondere gegen den §44 (1)-(3) des BNatschG beobachten. Wirtschaftliche Interessen wirken zumeist stärker, als der gesetzliche und fachlich nötige Artenschutz.

Ich möchte hier von meinen Erfahrungen berichten, die ich in den nun bald 8 Jahren, die ich in Münster lebe, gemacht habe. Dabei habe ich unter anderem auch im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit mehrere Abrissgenehmigungen fachlich im Hinblick auf den korrekten, gesetzlichen Schutz der Fledertiere geprüft. Die folgenden Feststellungen habe ich natürlich bereits längst auch der Stadt Münster übergeben. Eine Antwort wollte man mir zu kommen lassen, dies ist aber dann niemals geschehen. Bei einem Termin mit dem NABU erklärte man, dass der NABU mich doch informieren könne. Das ist sehr armselig, wenn so der Umgang mit den Bürgern aussieht, dann kann man nur enttäuscht von der Verwaltung der Stadt Münster sein. Insofern hat die Stadt jedoch nie auch nur irgendeinem der Punkte hier widersprochen und diese daher wohl alle akzeptiert.

In Kurzfassung: Ich bin entsetzt, wie schlecht der Schutz der besonders streng geschützten Fledertiere umgesetzt wird. Beinahe könnte man meinen, dass die Behörden in Münster fahrlässig arbeiten. Meiner Meinung nach müsste vielleicht auch geprüft werden,  ob nicht sogar billigende in Kaufnahme vorliegt, auch wenn ich wiederum nicht glaube, dass dies bewusst geschieht. Vielmehr denke ich, dass die tatsächlichen Massnahmen zum Schutz der Fledertiere nicht verstanden werden, die Beratung unterirdisch schlecht ist und so teils krass falsche Entscheidungen getroffen werden. 

Aber soviel zur Kurzfassung, um was geht es genau?

Anmerkung in eigener Sache: Der folgende Text ging in inhaltlich identischer Form bereits auch als Email an den zuständigen Referenten der Stadt Münster. Eine Antwort der Stadt Münster jedoch blieb auch nach 5 Wochen noch aus. Erst auf Nachfrage wurde mir in einem Einzeiler mitgeteilt, dass die UNB eine Antwort verfassen wird. Diese Antwort blieb man mir dann jedoch auch schuldig. Sie wurde jedoch bei einem Treffen dem NABU mitgeteilt. Der Umgang mit Bürgern ist wohl ähnlich schlecht  wie mit dem Artenschutz. Zum Glück hat mir der NABU die Antwort mitgeteilt.

So, nun aber zum Inhalt - endlich:

Es gibt erwartungsgemäss zahlreiche Konfliktfelder des Artenschutz mit der gesellschaftlichen Weiterentwicklung. In Münster gibt es einige sehr negative Entwicklungen im Hinblick auf Arten- und Naturschutz. Da helfen auch Nachhaltigkeitspreise nichts, denn diese lösen keinesfalls diese Probleme. 

Gesetzliche Grundlage 

Allen Fledermausarten steht nach Anhang IV der FFH-Richtlinie ein besonderer Schutz zu. Dieser wird im Rahmen des Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) umgesetzt. Ohne weiter in Details zu gehen finden sich die relevanten Verbotstatbestände im BNatschG §44 (1). Dort ist nicht nur das Tötungsverbot sondern auch der Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten verankert.

Was passiert in Münster?

Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Ag Fledertierschutz des NABU Münster habe ich mehrere Genehmigungen und die zugrundeliegenden Artenschutzgutachten ausgewertet. Das Ergebnis war sehr deutlich. Ich möchte daher persönlich mit Nachdruck auf den unzureichenden Umgang mit Artenschutz hinweisen. 

In aller Kürze das Ergebnis der Prüfungen:
  1. Untersuchungsumfang minimal - bei weitem nicht entsprechend fachlicher Standards und auch deutlich unter dem Leitfaden des Landes NRW
  2. Fachliche Kompetenz der beauftragten Gutachter teilweise nur sehr rudimentär vorhanden, die Behörden folgen auch schlechten Gutachten.
  3. Genehmigungen werden auf Basis der unzureichenden Gutachten erteilt, eine notwendige Prüfung zB auf Erhalt der ökologischen Funktion entfällt komplett.

Lassen Sie mich vereinfacht verdeutlichen, was schief läuft:
Ein Gebäude soll abgerissen werden, eine Gutachter untersucht das Gebäude.

In Münster: Nach einer einzelnen Begehung wird festgestellt, dass Fledermäuse dort fliegen.
Erläuterung: Das trifft auf fast jedes Gebäude zu, hat für sich keine Bedeutung.
Korrektes Vorgehen: Mehrere Begehungen, Dauererfassung etc.

In Münster: Der Gutachter äußert eine Vermutung, es könnten Fledermäuse vorhanden sein, Abriss also nur zu gewissen Zeiten (Bauzeitenregelung).
Erläuterung: Mittels Bauzeitenregelung versucht der Gutachter die Gefahr einer Tötung von Individuen auf ein Minimum zu reduzieren.
Korrektes Vorgehen: Ein Quartier lässt sich mit etwas mehr Aufwand sehr sicher feststellen. Im Hinblick auf den Artenschutz spielt es vor allem eine sehr große Rolle, ob ein Quartier durch einzelne Tiere (idR Männchen), eine Männchengruppe oder gar durch Weibchen genutzt wird. Dies ist dann in der Regel eine Wochenstube, die als Aufzuchtort der Jungtiere den größten Schutz erfahren muss. Auch muss der Nutzungszeitraum, d.h. Sommer und/oder Winter ermittelt werden, um überhaupt Bauzeitenregelungen zu treffen. Je wichtiger das Quartier, desto wichtiger ist es auch vor Genehmigung einer Veränderung (Abriss, Sanierung) zu wissen, ob in direkter Umgebung die ökologische Funktion weiter gewährleistet ist. Das bedeutet, der Gutachter muss im Vorfeld dann weitere Quartiere suchen. Finden sich keine geeigneten und auch genutzten Ausweichquartiere, kann durch CEF-Massnahmen Abhilfe geschaffen werden. Diese müssen deutlich im Vorfeld statfinden und gelten erst dann als abgeschlossen, wenn deren Erfolg auch nachgewiesen ist. Und dann erst kann abgerissen werden.

In Münster endet das Prozedere also deutlich zu früh. Wichtige und rechtlich verankerte Aspekte werden ignoriert. Es ist dann ein Schlag ins Gesicht zu lesen, dass zB auf ehemaligen Kasernen (York und Oxford) zahlreiche Fledermauskästen als Massnahme angebracht werden (vermutlich CEF, aber so genau wird das nirgends erläutert).

Das ist fachlich grober Unfug, denn erst nach Monitoring und erfolgreicher Nutzung durch die Fledertiere könnte dann auch der Abriß/Umbau stattfinden. Genau dies wird jedoch ignoriert, Abriß/Umbau wird durchgeführt, denn es hängen ja Kästen, haben wir als Stadt unsere Pflicht getan. Toll.

Auch hängt die Nutzung und Wahl von Kasten stark von der Fledermausart ab. Gegebenenfalls sind die Kästen nutzlos, wenn die Quartierbeziehenden Arten diese gar nicht nutzen können.  Auch sind Kästen nach Studien von Kollegen aus Bayern nicht zwingend als CEF-Massnahme geeignet (https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an39101zahn_et_al_2017_fledermauskaesten.pdf).

In einer Stellungnahme, die ich zur York-Kaserne für den NABU mit verfasst habe, werden solche grundlegenden Probleme genannt, leider aber von der Verwaltung komplett ignoriert. Keine Ahnung, wieso man Expertenwissen, dass man per Einwendung kostenlos erhält, dann so umkommentiert ignoriert.

Erschreckend ist auch, dass in manchen Gutachten die Verantwortung der Einhaltung von §44 (1) 1. BNatschG auf die Bauarbeiter der Abrissfirmen abgewälzt wird. Der Fachgutachter empfiehlt so z.B. für den Abriss der Gebäude Mondstrasse 92-94 :
"Die Umbauarbeiten an den Dächern der Flachdachgebäude haben mit einem Rückbau der randlichen Dachrandanschlussprofile zu beginnen. Die Dachrandanschlussprofile sind in Handarbeit und ohne den Einsatz schwerer Maschinen zurückzubauen. Darunter vorhandene Hohlräume dürfen nicht komprimiert werden. Werden Vorkommen von Fledermäuse festgestellt, sind die Arbeiten in diesem Bereich sofort einzustellen und ein geeigneter Fachmann ist hinzuzuziehen. Erst danach kann ein weiterer Abbruch der Dachrandanschlussprofile erfolgen."

Wie soll der Bauarbeiter Fledermausvorkommen entdecken. Das Vorgehen ist fachlich falsch. Der Fachmann muss vor Ort sein und schrittweise zuerst prüfen, dann kleine Abrissarbeiten durchführen lassen. Dies ist aufwendig, aber nötig, da der Gutachter in diesem Beispiel auf Grund mangelnder Untersuchungen Quartiere nicht sicher ansprechen konnte. Ansonsten begibt sich der ausführende Bauarbeiter in die Gefahr, Tiere zu verletzten oder zu töten und somit gegen das BNatschG §44 zu verstossen. Und werden Quartiere entdeckt, muss man nach Willen des Gutachters überhaupt dann erst den Fachmann dazuhalten. Bis der kommt sind die Tiere vermutlich alle panisch ausgeflogen, tauchen dann aber - wenn es dumm läuft - am nächsten Tag oder nur etwas später an der nächsten Gebäudestruktur auf. Und damit beginnt das "Spiel" von vorne und erneut sind Verletzungen oder gar Tötungen die Folge. Sorry, aber das ist einfach fachlich gesehen alles grober Unfug und zeugt meiner Meinung nach von mangelnder fachliche Eignung.

Ich habe  viel über die Ursache der Probleme in Münster nachgedacht. Mein Ziel ist es, diese besser zu verstehen, um effektiver an Lösungen zu arbeiten. Ist die Rechtsauslegung in Münster einfach nur gänzlich anders, als in anderen Kommunen? Jedes Gesetz hat Auslegungsspielräume, dies trifft sehr stark auf den Artenschutz zu, bei dem die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative erst im Oktober durch das Bundesverfassungsgericht erneut gestärkt wurde. 

Jedoch frage ich mich auch, ob nicht das Fehlen grundlegendes Wissens, ein fahrlässiger Umgang mit dem Artenschutz, oder gar die billigende in Kaufnahme von Verletzungen von Verbotstatbeständen des Artenschutzes ursächlich sind. Gerade die Rechtsauslegung ebenso wie mangelndes Wissen lässt sich durch Diskussion und Unterstützung schnell beheben. Informationsangebote z.B. Seitens des NABU waren vorhanden, ebenso wie weitere Unterstützungsangebote. Wenn solche nicht angenommen werden, dann ist das Schade, denn so hätten vielleicht manche der Probleme leicht gelöst werden können.

Mit der neuen Landesbauordnung wird die Situation ab dem 1.1.2019 nochmals drastisch verschärft. Ich kann aus der Situation in Münster und NRW nur erkennen, dass Stadt und Land, das zeigen zahlreiche Entscheidungen der Landesbehörden und der Regierung, kein wirkliches Interesse an Artenschutz haben. Das Artensterben ist bereits jetzt nicht nur ein Problem tropischer Regenwälder, sondern auch bei uns zu Hause. Feldlerche gibt es bereits nicht mehr in Münster, der Kiebitz wird folgen - ich muss Ihnen nicht erzählen, wie es um diesen in Münster, aber auch Deutschlandweit bestellt ist. Und das sind nur offensichtliche Arten. Fledertiere, die versteckt und im Dunkeln leben, aber auch zahlreiche andere unscheinbare, unauffällige Arten werden folgen. Das werden Sie und ich noch erleben. Und das ist ein Armutszeugnis für unsere Generation.



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